Schottland | Sommer 2006
Mit dem Rad auf die Insel Mull
Ich bin mit dem Wochenendticket bis nach Emmerich an der Niederländischen Grenze gefahren. Ich fuhr über Rotterdam durch Belgien bis nach Calais in Frankreich. Nach der Überfahrt nach Dover nahm ich den Zug nach London. Ich verbrachte sehr schöne Tage in London, nahm den Zug bis Glasgow und radelte noch 2 Tage durch die Highlands nach Oban.
Auf der Insel Mull kam Anabelle für zehn Tage. Ich blieb noch länger als geplant um das Scheunendach fertig zu bauen. Ich fuhr zwei Tage durch den Regen, bis ich endlich an der East Coast nahe Edinburgh in Rosyth an der Fähre ankam. Eine lustige 18 Stunden Überfahrt brachte mich nach Zeebrugge Ich fuhr noch zwei schöne Herbsttage durch Belgien und die Niederlande bis nach Duisburg, der Nachtzug brachte mich zurück nach Dresden.
Ich bin in 75 Stunden und 29 Minuten 1350,6 Kilometer mit dem Rad gefahren und habe dabei gelernt, dass mir das Radfahren allein keinen Spaß macht. Es war trotzdem eine schöne Tour und ich freu mich es gemacht zu haben.
Tagebuch:
Sonntag, 3.9.:
51,90 km | 02:52 h | Ø 18,01 km/h | 37,40 km/h max
„ Saufen * Ficken * Kloppen “.Fünf Uhr 24, eigentlich wollte ich nach einer sehr kurzen und Hektischen Nacht schlafen, aber Dynamo Dresden spielt in Erfurt und so musste ich mir das Abteil mit der Elite deutscher Fußballfans teilen, welche sich früh vor den Bullen unkenntlich (nach eigener Aussage) auf den Weg gemacht hatten.
Mit einer Stunde Verspätung kam ich in Emmerich an, es war 18:10 Uhr. Ich fuhr noch nach Arnheim los, in der Hoffnung dort diesen Radfernwanderweg R1 von St. Petersburg nach Calais zu treffen. In Arnheim zeigte mir jemand den richtigen Weg durch das Nest und plötzlich befand ich mich auf den super ausgebauten holländischen Radwegen. Fünf Kilometer nach Arnheim zelte ich einfach im feuchten Wald an der Straße, da nichts Vernünftiges zu finden war. Ich habe gerade ganz schön Zweifel an der ganzen Sache, bin ich doch so langsam, ich muss fortwährend an den Zug denken. Ich bin kaputt, übermüdet, es ist schon Zehn Uhr und der Autolärm nervt. Noch eine SMS zu Anabelle und ich schlafe ein.
Montag, 4.9.:
156,18 km | 08:30 h | Ø 18,35 km/h | 32,00 km/h max
Bin Acht Uhr total kaputt und Erkältet aufgewacht, die Autos nervten. Um neun bin ich losgefahren, um erstmal ein Stück vorm Frühstück zu fahren. Mein erstes Ziel, Utrecht, war 49 km vor mir. Es ging mit Gegenwind durch eine hügelige Heidelandschaft. Ich traf ein paar nette Engländer mit denen ich eine Stunde ganz gut vorwärts kam. Unsere Wege trennten sich, denn ich musste erstmal zu Aldi. Von Utrecht zog sich der Weg durch diese komische Kanallandschaft, ich musste immer daran denken, dass man hier nirgends einen Platz zum Zelten finden kann. Mein Ziel war inzwischen Rotterdam. Dank der guten Radwegausschilderung ist es gar nicht so schlimm, dass ich nur diese kleinen google maps habe.
Bei Tageskilometer 115 war ich im Zentrum von Rotterdam, ich fühlte mich erleichtert, hatte ich doch mein Ziel, jeden Tag über 100 km zu fahren, erfüllt. Ich quälte mich durch die Vororte, immer in kleinen Schritten denkend, wieder fünf Kilometer, … zunehmend lies der ätzende Gegenwind nach und ich fühlte mich immer besser. Ich nahm die Fähre nach Rosenkreuz, hätte nie gedacht, dass ich heute bis deutlich hinter Rotterdam komme. Ich währe gern noch ein bisschen gefahren, aber es wurde dunkel und kurz entschlossen hielt ich direkt vor dem Damm zwischen Hellevoetsluis und Goedereede. Mich nervt zwar schon wieder die Autobahn, aber so mache ich wenigstens keinen Umweg zum Schlafen.
Hier am Wasser ist es ganz schön. Ich mache mir bisschen Sorgen wie es meinen Beinen morgen gehen wird. Das Alleinsein lässt sich noch gut aushalten aber ich denke viel an Anabelle und Mull und dann bekomme ich immer da Gefühl mir sitzt die Zeit im Nacken. Vom Wind habe ich leichte Kopfschmerzen. Ich werde morgen noch nicht bis nach Calais kommen, sieht noch ein Stück weiter aus als heute. Hoffe das die Ausschilderung so gut bleibt, die Nordsee-Route LF 1a hatte ich mal, währe wahrscheinlich meine gewesen, aber die Schilder sind wieder weg.
Dienstag, 5.9.:
~ 182 km | 09:45 h | Ø > 18,17 |
Heute sind die Angaben nur so ungefähr, da der scheiß Radcomputer plötzlich alles vergessen hat, der Spinner.
Die ersten 30 km bis zu Frühstück liefen gut. Die LF 1a zog sich entlang der Kanäle, einzigartig und wunderschön autofrei. Dann kam dieser Gegenwind; Mit knapp über 15 km/h quälte ich mich über die endlosen Dämme entlang der Küste. (Boah, jetzt hat mich aber ein Viech erschreckt!). Absolut fertig kam ich an der Fähre an, meine Beine gingen, aber mir tat der Arsch unheimlich weh. Müde von der letzten schlechten Nacht und durch den Wind mit total verquollenen Augen kam ich an der Fähre in Visslingen an. Muss ich wirklich dreimal in Holland schlafen? war mein Gedanke. Nach der Stunde Zwangspause kam die Sonne raus, der Wind war fast weg und ich fühlte mich wieder besser.
Plötzlich war ich in Belgien. Die Küste ist die ganze Strecke Zugebaut, irgendwie war alles komisch. Es entstand der Gedanke in mir, nicht in Belgien Schlafen zu wollen und außerdem muss ich ja morgen nach Calais. Ich fuhr und fuhr, in Ostende war der Mond schon aufgegangen. Irgendwann war es dunkel und es lagen immer noch 30 km vor mir und meinen müden Beinen. Kurz vor Elf hielt ich, wieder direkt neben der Straße, allerdings ist diese fast nicht befahren. Ich gehe davon aus mich auf Französischer Seite des Kanals zu befinden. Stehe ich morgen früh auf um evt. noch bis London zu kommen?
Mittwoch, 6.9.:
100,69 km | 06:04 h | Ø 16,59 km/h | 32,85 km/h max
Teil I:
[ 86,71 km | 04:47 h | Ø 18,10 km/h | 32,85 km/h max ]
Nun sitze ich auf der Ferry und verlasse den Kontinent. Früh schien schon die Sonne, es wurde richtig warm. Doch mein Gepäck ist ziemlich nass, es gab so eine Art Nebel und Tau. Die 86 km waren echt anstrengend da, ich sie ohne Pause gefahren bin um die 14:15 Uhr Fähre zu bekommen. okay, ich gebe zu ich wusste nicht wann die Fähre fährt und war 13:30 Uhr im Hafen. Ich habe zwar gut geschlafen, doch fühle ich mich sehr müde. Seit gestern sind meine Oberschenken nur noch schwer und hart, da habe die paar Stunden Nachtruhe nichts geändert.
Es war richtig schwer den Weg zu finden, teilweise richtig beschissene Straßen, Kraftstraßen heißen sie wohl. Im fahren habe ich noch ein Baguette in mich gestopft und keinen einzigen Franzosen getroffen, der Englisch oder deutsch sprach. Ich kann mich hier kaum konzentrieren, mir tuten die Hände weh und leider habe ich mein Essen unten in der Fähre. Die 477 km Europa liegen hinter mir und das nach drei Tagen, das kann mir eigentlich Hoffnung machen, aber wahrscheinlich nehme ich dann den Zug nach London. Auf das urbane Verkehrschaos habe ich keine Lust und würde auch erst sehr spät in London ankommen. Außerdem ist die Zeit ja knapp und ich glaube etwas in London weg zu schneiden ist besser als in den Highlands, aber eigentlich habe ich einfach keinen Bock mehr, ich klebe vom Schweiß, meine Fingerspitzen sind durchgegriffen - eine Dusche wäre schön.
Teil II
Ich habe in Dover den Zug genommen, war 1 ½ Stunden später in London Victoria. Das Linksfahren im Chaosverkehr war gewöhnungsbedürftig, aber man hat ja Übung.
„Oh my god, it's Jakob!“, Esmè machte mir die Tür auf. Wir haben, wie immer, Bier getrunken und sehr lange gequatscht. Es fühlt sich an als wäre ich mal kurz weg gewesen.
Ich bin sehr glücklich und schlafe jetzt ein.
Freitag, 8.9.:
0 km | 00 h | Ø 0 km/h | 0 km/h max :-)
Gestern war hier ersten Schultag, was für eine Überraschung. Ich bin früh mit in die School gefahren. Aus dem Besuch des morgendlichen Assembly wurde ein ganzer Tag. Ich traf all die bekannten Leute wieder, wir waren erst im Cafe, später mit den Kindern in Greenwich Park, kurz, es war ein schöner Tag.
Abends haben wir noch „Nil by Mouth“ geschaut und viel gelabert.
Heute habe ich erstmal ausgeschlafen und meine Tour etwas geplant. Ich werde mit dem Zug bis Middlesbrough fahren. Da muss ich nicht mehr so heizen, habe entspannte 600 -700 km für eine Woche vor mir und evt. bin ich bisschen eher bei Jonathan. Das Wetter ist immer schöner geworden. Als ich noch auf deutschen Bahnhöfen stand hat es geregnet, inzwischen scheint richtig die Sonne, ja, auch in England ist keine Wolke zu sehen.
Ich frage mich ernsthaft, ob das Radfahren eigentlich Spaß macht. Meine Finger sind immer noch Taub, meine Oberschenkel schmerzen. Man ist die ganze Zeit allein, die Gangschaltung die einzige Begleitung, der ich öfters mal einen Gedanken widme. Ich bin nicht der Typ, welcher mit sich allein am zufriedensten ist; nehme mir zum Essen nicht mehr Zeit als nötig, es gibt nur die körperlich notwendigen Pausen. Zum Kochen hatte ich einfach keine Lust, bin zu faul den ganze Aufwand nur für mich zu betreiben.
Im Grunde genommen fahre ich nur auf ein Ziel zu. Ich bin stolz im untrainierten Zustand am 2. Tag über 180 km zu fahren, aber ich würde nicht soweit gehen zu behaupten, dass es der schönste Tag der Radtour war.
Ich glaube ich musste mir ein Stück weit beweisen, dass ich allein unterwegs sein kann, mich selbst aufraffen, ohne Antrieb von Außen weiter zu fahren. Inzwischen glaube ich die wahre Herausforderung ist, allein an einsamer Landstraße eine Pause zu machen und diese, da sie so schön ist, um noch eine halbe Stunde auszudehnen.
Ich bin davon Überzeugt, wenn ich nicht diesen Zwischenstop London gehabt hätte, auf jeden Fall pünktlich in Schottland angekommen währe. Aber im Moment ist mir ein Tag hier mehr wert. Ich freu mich trotzdem auf den Highlands, zumindest solange es nicht Regnet.
Samstag, 9.9.:
4,2 km | 00:32 h | Ø 7,73 km/h | 19,5 km/h max
Ich bin weit gekommen – war mit Eli im Park Rad fahren. Wollte ja heue früh los, rief die Train Infohotline und die haben mir erzählt, dass ich bis Middlesbrough 88 £ zu bezahlen habe. Nach längerem hin und her fahre ich nun Montag, allerdings bis Glasgow, da ich ja dann noch weniger Zeit habe, für 35 £ die doppelte Strecke. In dieser verrückten Welt habe ich schon jetzt mehr bezahlt ein Flug kostet.
Meine ganze Vorbereitung für die Route an der Küste hoch war wohl umsonst. Aber das stört mich wenig. Ich bin ja sehr froh, dass mein Knie keine Probleme gemacht hat, allerdings sind meine Finger gribbelig und ich habe koordinative Schwierigkeiten Wahrscheinlich hat es ein paar Nerven im Handballen ganz schön genüschelt, komischerweise habe ich das beim fahren gar nicht gemerkt.
Bei Kendall ist Wanja, der diesjährige Zivi, ganz nett sich mal so zu treffen und da die Welt ja ein Dorf ist, währe er beinahe nach Australien gegangen, wo Ferdi nun sein Jahr verbringen wird.
Sonntag, 10.9.:
~32 km
Helm schlug vor den Tag gemeinsam zu verbringen. So radelten wir zur Euston Station um meine Tickets abzuhohlen. Nahe Oxford Street gingen wir erstmal Essen, natürlich all you can eat, leckerstes Thai Food. Nach drei oder vier Tellern saßen wir noch mit einem Pint Strongbow an der Thames; es war wunderbar sonnig.
Abends, wie in alten Zeiten, Lagerfeuer im Garten und einige Dosen Stella.
Montag,11.9.:
72,16 km | 04:09 h | Ø 17,31 km/h | 56,64 km/h max
Eine Stunde uns stolze 18 km Anfahrt zum Bahnhof (Euston Station).
Super schneller Zug, ca. 15:00 Uhr in Glasgow. War müde, habe teilweise geschlafen. Glasgow war super hässlich, stinkende Industrie, schieß Straßen. Aber ich fand den relativ schlechten Radweg nach Dumbarton und weiter zum Loch Lomond.
Es ist sehr schön an so einem Loch lang zu fahren. Heute hab ich das erste Mal im hellen angehalten um noch am Loch zu zelten. Es ist höchst romantisch, direkt vor dem Zelt beginnt das glasklare Wasser. Das Wetter ist okay, allerdings hängen die hohen Berge in den Wolken, mal sehen wie das morgen da oben wird. Ursprünglich wollte ich heute kochen, es ist nicht zu spät, ich habe genug Wasser, aber ich habe keinen Appetit oder Hunger; allein schmeckt es halt nicht.
In Glasgow hatte ich mir noch schnell eine Portion Fish' n Chips reingeworfen.
Nun noch einige SMS schreiben und ich kann schon wieder einschlafen. Leider hört man die A82; freu mich darauf morgen in Mull anzukommen.
Dienstag, 12.9.:
153,73 km | 07:53 h | Ø 19,48 km/h | 65,64 km/h max
Teil I
[ 107,85 km | 05:15 h | Ø 20,54 km/h | 65,64 km/h max ]
Macht Radfahren Spaß? Habe ich mich mal gefragt. Ja, es macht Spaß!
Die Straßen in den Bergen waren größten Teils wenig befahren. Das Wetter war wechselhaft, von Sonne bis Regen und trotz der ganzen Berge habe ich einen sensationell guten Durchschnitt gefahren. Selbst die Passanstiege haben mir nichts viel ausgemacht, ist wesentlich besser als gegen so einen holländischen Gegenwind zu fahren. Und mit 30 bis 50 km/h bergab zu rollen macht einfach Spaß.
Ich bin die hundert Kilometer bis auf 15 Minuten Frühstückspause durchgefahren, fühle mich heute richtig fit. Nun sitze ich auf der Ferry nach Mull, ist inzwischen die vierte Fähre auf meiner Tour. Langsam gewöhne ich mich daran in die bedrohlichen Bäuche der Ungetüme zu laufen.
Meine GoreTex Jacke habe ich nun gar nicht gebraucht, und auch die Radjacke hätte ich leicht entbehren könne. Mein 5 £ Lidl Radtriko tut allerdings gute Dienste. Jetzt geht es noch ca. 30 km über die Insel, ich freu mich aufs ankommen, aber noch mehr darauf Anabelle in wenigen Tagen hier zu treffen.
Teil II
Über den Pass auf Mulll fühlte ich mich alles andere als fit. Ich habe mich die letzten Kilometer etwas geschleppt, vor allem hat der Hunger genervt. Endlich auf Leob Croft angekommen war niemand da. Es brannte zwar Licht, aber bis auf den nervigen Hund wwar niemand zu finden. Nach einigem Warten schlug ich, es war schon fast dunkel, mein Zelt auf. Wollte doch nicht so ganz ungefragt in ein Haus einziehen. Da kam Ann. Zu meiner Überraschung verschwand ihre Begleitung wieder. Von ich erfuhr ich erstmal das Jonathan im Krankenhaus liegt, er ist vom Dach gestürzt, hat sich aber nur die Hand gebrochen.
Ich war sehr erleichtert, hatte ich mich doch schon darauf eingestellt allein hier zu nächtigen und irgendjemand beim füttern der Tiere zu treffen. Der Gedanke, dass Jonathan schon weg ist, ich ein Datum vertauscht habe, hat mich ganz schön genervt.
Nun liege ich frisch gebadet oben im Traktor Shed und wenn ich alles richtig verstanden habe kommt Jonathan morgen aus dem Krankenhaus. Evt. geht er nun doch nicht nach Zypern. Erstaunlich viel Überraschung für die Abendstunden.
Freitag, 15.9.:
Ich bin richtig auf Mull angekommen. Jonathan ist wieder da, hat allerdings ein externes Metallgerüst um seinen Arm und durch die Knochen, ihm geht es nicht gut. Die letzten 3 Tage habe ich hauptsächlich auf dem Dach gebaut, und heute bin ich endlich mal wieder Traktor gefahren; da freut sch der kleine Junge in mir. Für Jonathan und Ann ist es sehr praktisch das ich so zeitig kam, denn sie brauchen eine Menge Hilfe.
Inzwischen habe ich mehrmals mit Anabelle telefoniert und freu mich total auf sie, viertel vor 6 wird sie hier sein. Heute war ein sehr warmer und sonniger Tag, morgen soll es ähnlich werden; ich genieße die Insel in vollen Zügen. In dieser Zeitlosen Ewigkeit würde ich gern bleiben, ich denke öfters daran, dass ich sehr lange hier bleiben könnte, das währe nicht mal weite schwierig. Und gleichzeitig fange an mich zu fragen wie das Warten auf den Studienplatz werden soll; ich würde nicht sagen ich mache mir sorgen, aber ich habe mir vorher keine Gedanken darüber gemacht. Wahrscheinlich kam der Zweifel mit der nahezu grenzenlosen Freiheit die ich hier genieße.
Mittwoch, 20.9.:
Die Zeit vergeht wahnsinnig schnell, obwohl wir eigentlich nichts machen. Anabelle sah noch kurz das schöne Wetter, seit Sonntag regnet es. Zwei mal sind wir nach Bunessan gelaufen, heute ganz im Regen. Jonathan und Ann sind Montag nach London gefahren, seit dem ist Ray hier um sich um die Tiere zu kümmern. Irgendwie ist es lustig mit ihm, aber wir haben nicht viel mit einander zu tun. Gestern habe ich angefangen zu baggern, was ich ja bekanntlich ganz gern mache, aber heute war es zu nass. Ich könnte hier noch viel arbeiten, komme aber nicht dazu.
Wir wohnen in Jonathans Haus, kochen lecker, sitzen am Ofen und heute Abend haben wir „I know where I'm going“ im Heimkino geschaut. Ich finde es faszinierend so ein doch eher karges Leben in den kleinen alten Cottages zu führen und auf der anderen Seite Dolby 5.1 Sound und eine große Leinwand in den dicken alten Steinwänden zu haben, nebst DSL und anderen Raffinessen der Zivilisation, die man hier leicht vergessen oder vermissen kann.
Samstag, 23.9.:
Gestern war nach vielen Tagen der Himmel mal wieder blau; der Gale hat aufgehört zu blasen. Zum Frühstück gab es natürlich Eier. Hier gibt es immer Eier zum Frühstück, die fünf Hühner hören nicht auf zu legen. Es gibt sie als Omelett, scrambled egg, Rührei, Spiegelei und alles erdenkliche dazwischen; ich aß mein Lebtag nicht soviel Ei.
Mit vollem Eierbauch machten wir uns auf den Weg nach Shiaba, einem ausgestorbenen Dorf. Einst fiel den reichen Landlords ein, sie möchten doch lieber Weideland und platz zum Jagen, und so verscheuchten sie die einst zehntausend Einwohner zum größten Teil nach Amerika. Einige ihrer Dörfer stehen, nur noch von Schafen besiedelt, als Steinruinen in der einsamen Landschaft.
Da es hier ja fast keine Wege gibt war mein Vorschlag quer Feld ein zu gehen. Die Wiesen glichen Sümpfen, alles strotze vor Wasser nach dem langen Regen. Der Wald, welchen wir queren mussten, ist großflächig so dicht, dass man nicht hindurch kam, seiden man zwängt sich in Hockstellung durch die von Tieren gemachten Tunnel. Entlang der Flussläufe und mit einigen sumpfigen Schneisen schafften wir es mit nassen Füßen. In Shiba war nicht viel zu sehen.
Auf dem Weg begegneten wir einigen Toten Schafen, deren Todesursache mir in kleines Rätsel ist. In dunkelster Nacht marschierten wir die Landstraße entlang zur Croft. Heute habe ich nochmal gebaggert, Anabelle auch(!), und bisschen am Dach gebaut.
Montag, 25.9.:
„Mich interessiert viel mehr was wir heute machen, als wie man einem Schwein den Blutdruck misst!“
Es ist bestimmt nicht immer leicht am morgen mit meinen Problemen konfrontiert zu werden…
Aber der erste Bus nach Fionnphort ist schon weg, und somit gibt es keine Möglichkeit mehr nach Iona zu kommen, seit den wir laufen wieder, aber am eben noch sonnigen Himmel scheint sich schon wieder das Unwetter zusammen zu brauen.
Mittwoch, 27.9.:
Dunkel, mehr kann ich zu heutigen Tag kaum sagen.
Anabelle ist nach einem letzten langen Frühstück, von denen wir hier viele hatten, mit dem 15:30 Uhr Bus gefahren. Es ist den ganzen Tag nicht richtig hell geworden, die See schien schwarz gefärbt und es regnet immer noch. Ursprünglich wollte ich morgen Früh die Heimreise antreten. Aber an den von mir eingebauten Dachfenstern regnet es rein, das liegt nicht an mir, es fehlt das Das drum herum. Nach langem Überlegen mit Ray und einem Telefonat nach Cyprus zu Jonathan habe ich nun beschlossen das Dach fertig zu decken. Eigentlich will ich nicht mehr so lange hier bleiben, fühle mich jetzt schon einsam, habe keine Lust zu kochen. Aber das Geld macht die Sache interessant, in Deutschland habe ich zur Zeit sowieso keinen Job. Habe heute Abend lange mit Papa telefoniert, Ferid fliegt gerade nach Australien, meinem nächsten Reiseziel.
Draußen tobt der Sturm, ich zweifle schon wieder an der Idee das Dach zu bauen, zumal ich mit den großen Wellblechen zurecht kommen muss, was bei diesem Wetter unmöglich ist.
Freitag, 29.9.:
6,93 km | 00:21 h | Ø 19,14 km/h | 43,76 km/h max
Heute musste ich mal nach Bunessan einkaufen fahren. Aber vom Gefühl her ist das hier schon lange kein Radurlaub mehr.
Das Darch ist zu einem Vierte fertig; die letzten 2 Tage war das Wetter schöner als in der Zeit mit Anabelle. Mit Ray habe ich nichts zu tun, zumindest nichts näheres, mal davon abgesehen, dass wir zusammen hier auf der Croft wohnen. Ich kann mir gerade richtig gut vorstellen wie man vereinsamt, sich an einen Tagesablauf festklammert und abends mit Tom, dem Kater der eine Katze ist, redet.
Die Zeit und das Leben werden langsamer und leiser, die Außenwelt ist außen, an sie dankt man kaum, sie erscheint etwas abstrakt. Nur wenn die Kampfjäger der Luftwaffe vorbei donnern denke ich mal kurz an den Irak – ohne visuelle Eindrücke ist der seit weit weg.
So wird es zum Höhepunkt des Abends mit Anabelle zu telefonieren.
Sonntag, 1.10.:
Doch nicht Ende September zurück, aber dafür schon am Geld verdienen. Eigentlich habe ich hier einen super Job; bin mein eigener Chef, keine geregelten Arbeitszeiten usw. aber ich habe ganz schön viel Verantwortung, denn man kann am Dach schlecht was Umbauen und es dürfen keine Fehler darin sein. Und hier leigt alles nur an mir. Ich dokumentiere alles was man später nicht mehr seiht per Foto, damit Jonathan sieht wie ich es gemacht habe. Aber die erste Seite sieht gut aus, ich mag fast behaupten besser als all die anderen Dächer. Ich bin mir nicht ganz sicher ob man die Platten schneiden darf, der Stahl rostet ja dort, aber laut Roy, einem Handwerker für alles, ist das egal, denn ich bin dann eh nicht mehr hier. Schlimmer als Jonathans Dach kann man ein Dach wohl kaum versauen, angeblich war es ein „professional“.
Nur will ich auch zurück nach Deutschland und etwas zu Hause sein, die 3GB Fotos sortieren, bisschen programmieren, etc. Ich habe in den letzen 3 Monaten deutlich mehr Fotos gemacht als in meinem ganzen Leben davor und es macht mir Spaß. Bei den Filmen wusste ich nie mehr was eigentlich die Intention war, wenn ich Monate später das Papier in der Hand hatte. Meine Knipse hat selten schöne Bilder produziert, jetzt kann ich bisschen was lernen.
Die letzen Nächte habe ich nicht so gut geschlafen; und da hatte ich eine Idee – naja, so was habe ich ja öfters – auf jeden Fall kam mir der Gedanke Schädel zu sammeln. Verschieden Tierschädel zu präparieren stelle ich mir interessant vor. Welche Wege Ideen zu ihrer Verwirklichung nehmen habe ich schon mal versucht zu ergründen – verworrene. Der Ursprung dieser Idee liegt wohl darin, dass ich auf Mallorca das erste Mal so eine tote, halb zusammenhängende, ausgetrocknete Ziege bzw. deren Knochen sah. Hier auf Mull liegen öfters mal tote Schafe herum, deren Gerippe zertrümmert und vollständig eine Faszination auf mich ausübt. Ein Schweinskopf währe ein guter Beginn.
Diesen Block, den ich nun schon zwei Jahre mit durch die Welt schleppe, einst in London bekommen, muss für alle Gedanken platz haben, er ist zu einer Gehirnextension geworden, die langsam auseinander fliegt. Es sind inzwischen schon über 30 Seiten auf dieser Reise beschrieben worden, allerdings kann man das nicht mehr als Reisebericht bezeichnen, es ist vielmehr ein Reisebegleiter, … reise ich eigentlich?
Dienstag, 3.10.:
Wollte das Dach heute fertig bekommen, hab es aber nicht geschafft, da die Schrauben erst abends geliefert wurden. Aber morgen wird es was. Ich wollte am Samstag die Superfast Ferry nach Seebrücke nehmen, aber nun überlege ich evt. doch noch hier zu bleiben und dann in Deutschland Wochenendticket zu fahren.
Jetzt habe ich schon wieder lang in dem riesigen Weltatlas herumgestöbert, aber am Ende wird es wieder das Wetter oder der Zufall entscheiden. Ray hat sich gerade meine Stirnlampe geliehen um den Hund zu suchen, viel Spaß… ich gehe jetzt baden.
Donnerstag, 5.10.:
106,77 km | 06:01 h | Ø 17,69 km/h | 49,56 km/h max
Teil I
[ 45,82 km | 02:18 h | Ø 19,91 km/h | 49,56 km/h max ]
By the Way, Ray hat sich in Hockstellung in den Haselbüchen verlaufen, Barley kam von selbst zurück.
Ich bin auf der Ferry. Trotz meines inneren Zweifels bin ich heute losgefahren, hat gerade richtig geregnet, aber es war nur en Schauer. Insgesamt ist das Wetter schon rauer geworden, ist ja auch schon über einen Monat her, dass ich losgefahren bin. Irgendwie werde ich schon durch Schottland kommen, viel mehr interessiert mich das Wetter auf dem Kontinent. Meine Beine fühlen sich müde an, aber ich habe gute Laune und freu mich auf der Heimreise zu sein.
Teil II
Socken auswringen, Füße abtrocknen und rein in den Schlafsack, bevor die ganze Suppe kalt wird. Grauenhaft, ab Oban nur Regen. War noch kurz bei Tescos, die Verkäuferin fand meine bunten Plastikbehälter im Einkaufswagen komisch.
Lovely English weather, genau das, wovor ich Angst hatte. 4 Stunden im Regen fahren geht ja noch, mir fehlen nur die GoreTex Socken, aber er Rest ist ekelig. Was noch nicht von außen nass war beschlägt jetzt im Zelt, sogar das Handy ist mit Tropfen bestückt. Die Füße sind aufgeweicht, Pfützen und LKWs bestimmen die Durchflussrate Wasser im Schuh. Und da die Wiese eher einem Sumpf gleicht ist unter der Isomatte auch schon eine Pfütze. Draußen Pfeift der Sturm und der Hirsch röhrt, klingt gespenstig, ansonsten ist das hier bestimmt ein netter Platz kurz vor Tyndrum an der niedlichen Eisenbahn. Das einzige gute ist, dass ich sehr gut in der Zeit liege und locker meine Ferry erwischen sollte. Mir graut nur vor einer weiteren Nacht, wenn das alles schön nass ist.
Freitag, 6.10.:
126,06 km | 07:04 h | Ø 17,79 km/h | 55,04 km/h max
Socken auswringen, aber heute ist das Wasser warm; die letzen zwei Stunden waren einigermaßen trocken. Die letzte Nacht war grausam, wie die Frau im Fish'n Chips shop sagte ist wieder ein gale blowing. Ich habe kaum geschlafen, es war zu laut im Sturm. Total fertig und mit Kopfschmerzen bin ich morgens nochmal eingeschlafen, halb elf war ich dann on the road.
Es kam ein Regen am Anderen, aber eigentlich war das total egal, nur die immer kalt umspülten Füße nerven, oben merkt man es gar nicht mehr und die GoreTex Jacke tut ihren Dienst perfekt – es sind ja auch perfekte Bedingungen für die Membran. In Callander hab ich mir den Wanst mir Fish'n Chips gestopft, was meinem Wohlbefinden vor allem mental tu tat. Zum Glück gibt's keine D-Mark mehr, da 15DM für einen Nachmittagssnack wirklich viel gewesen wäre.
Ich bin heute sogar bis Rosyth gekommen. Das Schlafplatzfinden stellte sich als schwierig heraus. Jetzt habe ich mich hinter so einem Spießerdorf auf der Hunderunde durch ein Wäldchen niedergelassen. Genau gesagt bin ich noch mit Rad über einen Zaun geklettert um bisschen vom Weg wegzukommen, denn ich will auf jeden Fall in Ruhe ausschlafen, die Fähre sehe ich ja schon aus dem Zelt.
In Deutschland werde ich den Zug nehmen, habe genug von Landstraße. Manchmal frage ich mich was ich überhaupt mache. Unter mir der Straßenrand, irgendeine Subroutine im Gehirn kümmert sich um den Abstand und Schlaglöcher. Am oberen Ende des Sichtfeldes baumelt der Tropfen, hin, her, hin und fällt und schon ist ein neuer Tropfen am Helm.
Gas Gesamtbild würde ich als grau beschreiben, ein Grau zwischen Asphalt und Wolke. Die Zeit ist nicht fühlbar, das macht ja der Fahrradcomputer. Manchmal tut kurz irgendein Muskel ziehen; Aber wie im Sportunterricht fühle ich mich auch nicht, ich atme ruhig, keine Schweißausbrüche. Und eigentlich bin ich ganz woanders, abgetaucht in Gedankenwelten, die mal konkreter, mal ganz undifferenziert sind. Innerlich führe ich Selbstgespräche, manchmal auf Englisch – und so vergehen die Kilometer. Aber ich habe auch was von der Landschaft gesehen.
Samstag, 7.10.:
23,62 km | 01:30 h | Ø 15,74 km/h | 44,01 km/h max
Ich habe immer noch nasse Füße!
Die Ferry war zwar ganz nah, aber ich bin dann nochmal paar Kilometer rumgeirrt um einen Supermarkt zu finden und fand meinen vorher verlorenen Handschuh wieder. Nun sitze ich hier im Terminal und meine Füße frieren, der Wanst ist allerdings gut gestopft; hab ein ganzen Ortlieb-Sack voll Essen für die Überfahrt. Heute früh weckte mich die Sonne, aber jetzt ist es garstig, kalt und windig. Freu mich wegzufahren und bin Müde.
Die Ferry ist seltsam. Die billigen Plätze fühlen sich auch billig an. Es ist bestimmt lustig jetzt eine 15 £ Wein zu trinken oder in der Cocktailbar abzuhängen. Aber allein und in meinem Radkostüm fühle ich mich da fehl am Platz.
Sonntag, 8.10.:
115,33 km | 05:46 h | Ø 19,99 km/h | 32,56 km/h max
Die Fährfahrt war noch echt lustig. Nach dem Duschen fühlte ich mich erstmal wieder zivilisiert und traf 2 Deutsche, mit denen ich die letzten Pfunde in der Bar versoffen habe. Einer von ihnen, der Medizinstudent, kam gerade von der Jagt in Schottland wieder. Was war gast leer und so schlief ich super in Schlafsack und Isomatte auf dem Fußboden bis zum Ankommen. Meine Entscheidung, durch Belgien zu fahren um einen bessere Eindruck von dem Land zu bekommen, entpuppte sich als eine Herausforderung. Im Endeffekt bin ich doch gut vorangekommen, so ein Radweg an der Autobahn entlang ist super. Allerdings geht dieser zu Ende und er hatte auch einige Unterbrechungen.
Ein Ehepaar, das ich nach dem Weg frage, nahm mich mit zu sich, um mir mit einer guten Karte aus dem Schlammassel zu helfen. Sehr nette und es gab noch ne Coke. Sie begleiteten mich noch ein gutes Stück um mir den Weg zu zeigen. Die Leute hier sind alle sehr nett, allerdings oft merkwürdig – viele haben Sonntag ihre Nobelkarosse geputzt und poliert, dabei laut Musik gehört und sahen weder nach dem Einen noch nach dem Anderen aus.
Jetzt liege ich hier zwischen Kuhweiden und großen Straßen kurz vor Antwerpen. Ich will nicht Zelten, nur bisschen Schlafen und die Beine erholen um morgen nach Deutschland zu fahren. Die große Frage ist nur ob ich einen guten Weg finde, sonst wird es eng.
Manchmal muss ich an Albi denken, ein imaginärer Reisebegleiter…
Montag, 9.10.:
~193 km | ~ 9 h | Ø ~ 21,50 km/h | ~ 35 km/h max
(Jetzt hab ich es gemerkt, wenn man sehr lange eine Tast drückt, oder das Ras ungünstig ans Geländer legt, werden alle tagesbezogenen Daten gelöscht; toll.)
Das war ein langer Tag, mein Ringfinger an den schwarzen Händen gribbeln schon wieder so taub.
Antwerpen hat mich viel Zeit gekostet, ansonsten bin ich fast auf Radwegen entlang großer Straßen gefahren. Im Dunkeln durch Deutschland, das war das kompliziertest Stück. Ich traf im Dunkeln noch einen rüstigen Rentner mit Rad, der seinen Abendplan änderte um mich noch bis zu einem Feldweg zu führen, mit dem man gut abkürzen konnte. Ich nahm einen Zug bis Düsseldorf und dort ging es in den Nachtzug direkt nach Dresden. Trotz das es sehr knapp war, ich habe mein eigen Tageshöchstleistung nochmal überboten, hat das alles super geklappt, dank einer zauberhaften Fee im Hintergrund.