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Du bist hier hintenrum »Blog »Artikel : 420 Kilometer - 15.09.2008
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blog | 420 Kilometer

# 68 || 15.09.2008 23:19:57

420 Kilometer

Ich wollte in einem Tag von Dresden an die Ostsee fahren. Geht das überhaupt? Das hat mich auch interessiert und nun kann ich sagen: Ja, es geht!

Erst am Donnerstag Morgen entschloss ich mich loszufahren. Schnell googls Routenplaner gefragt, "Dresden -> Zinnowitz", ich sollte also östlich an Berlin vorbei durch Spreewald und die Uckermark fahren. Nun gut, also schnell noch bei Netto was zu Futtern und Batterien für die Beleuchtung geholt und um 10:50 Uhr rollte ich an der Schauburg vorbei die Königsbrücker Straße aus Dresden raus. Wetter war bestens, bisschen Sonne, kein Wind. Nach kurzer Nacht war ich zwar bisschen müde, fühlte mich aber ganz gut. Die Lausitz und die Tagebauten sind immer wieder schön.

In Cottbus waren die ersten 100 Kilometer geschafft. Noch lief alles ganz flüssig. Was die Nacht so bringt und ob ich schlafen muss war mir noch unklar, spannend wird erst die zweite hälfte, dachte ich mir.

Es wurde Dunkel, die Gegend langweilig. 200 Kilometer in Steinhöfel, kurz hinter Fürstenwalde/Spree. Ich war noch keine 12 Stunden unterwegs, bis hier hat die Geschwindigkeit gestimmt. Die Nacht wurde kalt und feucht, Zeit für die GoreTex Hose. Scheiße, erst die hälfte. Viel mehr konnte ich nicht denken. Inzwischen waren meine Beine müde, ich wars ja schon die ganze Zeit. Aber zum Schlafen gehen hatte ich keine Lust, obwohl in mir immer wieder der Wunsch auftauchte mich einfach zur Seite fallen zu lassen.

Ich fuhr durch die Nacht. Dunkelheit. Nur die Mittellinie der Landstraße unter mir, im Licht der Tikka, welche ich an der Lenkertasche befestigt hatte. Mein Halogenlicht kam nur bei Bedarf zum Einsatz.

Ein lautes Grunzen ließ mich aufschrecken. Hu, es gibt Wildschweine. Ungewisse Zeit später konnte ich einem Wildunfall nur knapp entrinne. Es Grunzte wieder und eh ich mich versah tauchte das erste Schwein in meinem kleinen Lichtkegel auf. Ich hielt an und die ganze Schweineherde stolperte über die Straße. Sie wurden etwas hektisch, warscheinlich durch mein Answesenheit. Vor und hinter mir Wildscheine in allen Größen. Ich hatte Schiss, dass mir so ein fettes Schwein in die Seite rennt. Mit viel Lärm verschwanden sie wieder im Wald.

Kraftstraßen gehören verboten! Ich bin wieder auf einige drauf geraten, da die Schilder eindeutig verpackt bzw. durchgestrichen waren. Das macht die Sache aber nicht besser. Es gibt zwar meist Alternativen, aber ohne Ortskenntnis sind diese nur schwer zu finden.

Am schlimmste ist der Schweinehund in mir. Die Welt besteht aus wenigen Geräuschen und groben Konturen, einem kleinen Lichtkegel und dem Gefühl der Müdigkeit. Geschwindigkeit ist nur schwer wahrzunehmen, Distanzen werden ewig.
Ca. 15 Kilometer vor Angermünde sehe ich ein schönes Bushäuschen mit Bank. Ich fahre noch bis Angermünde, denke ich, während sich mein Lenker verselbstständigt und ich auf die Bank zusteuer. Liegen, Schlafen, Ruhe. Ich brauche nur wenige Atemzüge um wegzudriften. Nur nicht einschlafen! Nur eine kleine Pause! Die letzten 150 Kilomerter fahre ich noch! Zum Glück erinnern mich Fahrzeuge immer wieder daran, dass ich nur in einer Bushaltestelle liege. 5:30 Angermünde. Ich esse bisschen was vor einer Tanke, auch diesen Ort umfahre ich lieber auf den großen Straßen.
Es wird langsam hell und die Berge der Uckermark machen mir zu schaffen. Baustelle, Umleitung, scheißegal, ich fahre einfach durch, solange der Asphalt nur angefräßt ist, ist es besser als Umleitung. Der neue Tag ist da, ich bin total demotiviert und fertig. Ich kann nicht mehr, ich muss nochmal in ein Bushäuschen. 15 Minuten liegen wirkt schon kleine Wunder. Ich quäle mich bis nach Prenzlau und gehe erstmal ordentlich viel Zucker frühstücken. Diese Kilometer, zwischen 280 und 330, waren die schlimmsten.
Nach dem Frühstück ging es mir zu meiner großen Überraschung wieder sehr gut. War das der Kaffee oder der Zucker? Radsport ohne Doping funktioniert halt einfach nicht. Pasewalk und die B109 bis nach Anklam. Die Muskeln schienen sich an den Status Quo gewöhnt zu haben, die letzten 100 Kilometer waren wieder verhältnismäßig locker zu fahren. Doch hinter Anklam kam der Sturm. Es wurde richtig heftig, Äste brachen von den Alleebäumen und ich kämpfte mich wie eine gebeutelte Schnecke vorwärts. Das war so demotivieren, dass ich mich mit, vor allem mental, letzter Kraft nur noch bis Hohendorf schleppen konnte und in die Bäderbahn stieg.

Das waren nun 420 Kilometer, wobei ich auf die letzten 20 gern verzichtet hätte und meinen Schnitt haben die auch noch versaut. In 26:20 Stunden bin ich 21:49 Stunden mit durchschnittlich 19,24 km/h gefahren. Die Route kann man auch anscheuen.
Jetzt ist es Montag Abend, und der Muskelkater ist weg.


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